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Anständig handeln

 

„Berücksichtigen Sie auch, wem Sie damit welchen Nutzen bieten.“ Dieser Aufforderung begegnen Sie bei der Arbeit mit den Instrumenten des HelfRecht-Systems an unterschiedlichen Stellen. Das Nutzenbieten ist einer der zentralen Aspekte des Systems. Schon bei Dr. Gustav Großmann (1893-1973), mit der von ihm entwickelten Planungs- und Arbeitsmethodik Vorläufer und geistiger Vater des HelfRecht-Systems, stand das Nutzenbieten über allem. Und zwar nicht als berechnende Strategie, sondern als persönliche Einstellung: „Der Wunsch, Nutzen zu bieten, viel größeren Nutzen zu bieten als üblich, ist die Grundlage des Erfolges und des guten Einkommens. Auf den Wunsch, hemmungslos Nutzen zu bieten, auf diesen Wunsch kommt es an!“

In seinen Schriften betont Großmann im Zusammenhang mit dem Nutzenbieten immer wieder auch die Notwendigkeit, „anständig“ zu handeln: „Nur auf eine garantierte Anständigkeit kann man bauen“, heißt es etwa in „Gutes tun als Liebhaberei und als der Erfolgsfaktor Nr. 1“ (1964). Und über sich selber sagte er häufig: „In meiner Anständigkeit brauche ich mich von niemandem übertreffen zu lassen.“

Zugegeben, diese Aussagen erscheinen auf den ersten Blick schon etwas verstaubt. Zum einen die Wortwahl, zum anderen aber auch der Inhalt: „Anständigkeit“ als moralisches Ideal, als Motor des eigenen Handelns ... das klingt nicht gerade, wie aus dieser Zeit. Wie steht ́s denn um die Anständigkeit in unserer Welt, in unserem Zusammenleben, vor allem auf der großen Bühne von Wirtschaft, Politik und Prominenz? Wer Nachrichten schaut oder Zeitung liest, wird nahezu täglich mit der Frage konfrontiert, inwieweit es anständig ist, wenn Menschen oder Unternehmen ihre Position zum Nachteil anderer ausnutzen.

Dr. Gustav Großmann hat hierauf bereits vor über 60 Jahren eine klare Antwort geschrieben: „Im Leben kommt es nicht darauf an, sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen.“ Im Gegenteil: Es gelte, zunächst uneigennützig an den Nutzen und das Wohl der anderen zu denken, ohne gleich eine Gegenleistung zu erwarten. Er vergleicht wahres Nutzenbieten mit einer „Eichelpflanzenden Hand, das bedeutet: Werte zu säen, die ihren Urheber ebenso überleben, wie die Eiche um Jahrhunderte den Mann überlebt, der sie gepflanzt.“ An solche Großmann-Aussagen musste ich immer wieder denken, als ich das aktuelle Buch von Axel Hacke las. „Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen“, hat der „SZ“-Kolumnist und Schriftsteller sein anregendes Büchlein betitelt. „Anständig zu sein bedeutet“, so schreibt er ganz in der Argumentation Großmanns, „Rücksicht auf andere zu nehmen, und zwar auch dann, wenn einem gerade nicht unbedingt danach zumute ist.“ Oder: „Dass man sich an die Regeln auch dann hält, wenn mal gerade keiner guckt.“ Hacke will die öffentliche Diskussion zum Thema bereichern, denn, so seine Analyse: „Die grundlegenden Regeln menschlichen Anstands stehen in Frage."

In der Tat: Anständig handeln, Rücksicht auf andere nehmen, respektvoll miteinander umgehen, das ist in unserer Gesellschaft nicht mehr durchgängig der Normalfall. Anstelle von „Nutzenbieten“ steht für viele Menschen ein konsequenter Egoismus („me first!“) im Fokus: Man ist sich selbst der Nächste, nutzt – bedacht auf den eigenen Vorteil – persönliche Spielräume maximal aus. In Zeiten von Fake News, Shitstorms oder „Lügenpresse“ haben sich Grenzen verschoben, Hemmschwellen verringert. Gerade auch auf der Individualebene, im Kleinen, im zwischenmenschlichen alltäglichen Miteinander, insbesondere in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, ist in Sachen Anstand viel ehedem Selbstverständliches verloren gegangen. Vor allem in der Online-Welt: Die Anonymität der angeblich „sozialen“ Medien machen manche Menschen mutig, allen Anstand über Bord zu werfen. Es geht häufig nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten des Anderen, nicht um ein Bemühen um Annäherung, Ausgleich, Verständigung, sondern um ein verbales Niedermachen: Beleidigungen, Pöbeleien, Verleumdungen. Um Unanständigkeiten also.

Dabei ist doch Anstand der Nährboden, auf dem unser menschliches Zusammenleben fußt und gedeiht. Richtschnur für anständiges Handeln könnte die „goldene Regel der praktischen Ethik“ sein, bekannt in der gereimten Form „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Übersetzt auf den Alltag bedeutet dies einen gedanklichen Perspektivwechsel: Bei meinen Plänen, Entscheidungen, Handlungen oder Äußerungen sollte ich stets auch deren mögliche Auswirkungen bedenken – und zwar aus der Sicht der davon Betroffenen:

  • Wer ist von meiner Idee, meinem Plan, meiner Entscheidung, meinem Verhalten in welcher Weise betroffen?
  • Bewirke ich dadurch bei irgendjemandem etwas Gutes, einen Nutzen, einen Vorteil, einen Gewinn? Bei wem – und ich welcher Form?
  • Besteht die Gefahr, dass irgendjemandem durch mein Handeln ein irgend gearteter Schaden entstehen könnte? Dass jemand geschwächt, beeinträchtigt, benachteiligt wird? Bei wem könnte dies der Fall sein – und in welcher Form?
  • Was bedeutet dies jeweils für meine Idee, meinen Plan, meine Entscheidung, mein Tun?

Es geht also um die eigene Einstellung. Um ein verantwortliches Mit- und Vorausdenken. Um ein menschenorientiertes, partnerschaftliches Miteinander. Es geht darum, auf den Nutzen zu achten und darauf, dass ich niemandem Schaden zufüge. Anständig heißt deshalb auch, nicht alles, was rechtlich zulässig ist, tatsächlich auch zu tun. Hierzu noch ein merkenswerter Satz aus Axel Hackes Buch: „Es gibt Dinge, die sind erlaubt, und man tut sie trotzdem nicht, aus einem ganz persönlichen Empfinden heraus tut man sie nicht.“

Dies gilt in gleicher Weise für unser berufliches und unternehmerisches Agieren. Auch hier sollten Nutzenbieten und Anständigkeit die bestimmenden Faktoren sein. Nutzenbieten vor Gewinnmaximierung. So wie Ulrich Wickert es mal ausgedrückt hat: „Gewinn und Ethik widersprechen sich nicht. Es kommt nur darauf an, wie man den Gewinn macht.“ Orientierung am Kundenwunsch deshalb als oberste Maxime.

Auch im Geschäftsleben heißt „anständig miteinander umgehen“, die Perspektive von Kunden, Mitarbeitern, Geschäftspartnern, Firmennachbarn oder anderen Menschen einzunehmen, die von meinem Tun betroffen sein könnten. Und beim „anständigen“ Führungsverhalten geht es um Fragen, wie etwa: Wie lebe ich Führung? Wie gehe ich mit meinen Mitarbeitern und Kollegen um? Wie viel Freiheit lasse ich ihnen? Managementberater Reinhard K. Sprenger sieht diesbezüglich einiges im Argen. In seinem Buch zum Thema Anstand („Das anständige Unternehmen. Was richtige Führung ausmacht – und was sie weglässt“) kritisiert er in gewohnt markanten Thesen und seitenfüllenden Gedankengängen aktuelle Führungsmaximen: „In den Unternehmen herrscht eine tyrannische Zudringlichkeit: Feedbacks, Befragungen, Rankings, Frauenförderung, das Einklagen von Authentizität, Transparenz und Identifikation – die Reihe lässt sich fortsetzen. Ich habe dieses Buch geschrieben, um einen neuen Anstand am Arbeitsplatz einzufordern.“ Sprenger stellt den Unternehmen eine ähnliche Diagnose aus wie Axel Hacke für die Gesellschaft insgesamt: „Anstand, verstanden als Zurückhaltung und Distanz, bleibt auf der Strecke.“

Anständig führen = Nutzen bieten

Mitarbeiter „anständig“ führen – auch das ist mannigfaches Nutzenbieten. Zum einen gegenüber den geführten Menschen, zum anderen gegenüber der gesamten Gesellschaft. Denn was sie an Führung erleben, so Autor Sprenger, bringen sie in ihren Alltag und damit in die Gesellschaft ein: „Wie Menschen täglich in ihren Unternehmen und Organisationen handeln und behandelt werden, das beeinflusst in fundamentaler Weise, wie sie insgesamt ihr Leben führen. Das ist für eine Gesellschaft kulturprägend.“ Seine Forderung deshalb: „Wenn wir Distanz/Anstand zum ethischen Maßstab machen und auf die Institutionen der Unternehmen anwenden, dann kann die Antwort auf die Frage ́Was ist zu tun? ́ oft nur lauten: ́Lassen ist das neue Tun. ́ Es geht darum, Dinge nicht mehr zu tun oder erst gar nicht einzuführen.“ Zusammengefasst: „Anständig handeln“ heißt, dass wir – im Privaten wie im Berufsleben – bei unserem Planen und Handeln stets den Aspekt des Nutzenbietens berücksichtigen, das Wohl des anderen im Blick haben. Oder um es in Großmannscher Terminologie auszudrücken: dass wir uns in unserer Anständigkeit von niemandem übertreffen lassen.

Zum Reflektieren: Anständig handeln Die Jahresplanung 2022 könnte doch ein passender Anlass sein, sich (wieder) einmal mit dem Thema „Nutzen bieten“ beziehungsweise „anständig handeln“ auseinanderzusetzen. Beantworten Sie sich hierzu (möglichst schriftlich!) beispielsweise folgende Fragen:

  • Wie definiere ich „Anständigkeit“ beziehungsweise „anständiges“ Handeln?
  • Welcher Mensch beeindruckt mich durch besondere „Anständigkeit“? Woran mache ich das fest?
  • Bei wem kritisiere ich mangelnde „Anständigkeit“? Woran mache ich das fest?
  • Was bedeutet mir persönlich „anständiges“ Verhalten?
  • Welche Beispiele aus jüngster Zeit kann ich als Beleg anführen, „anständig“ gehandelt zu haben?
  • In welchen Situationen habe ich vielleicht nicht so „anständig“ gehandelt, wie es angemessen gewesen wäre? Aus welchem Grund?
  • Bin ich mir in Sachen „Anständigkeit“ meiner Vorbildrolle bewusst – beispielsweise als Vater/Mutter, Führungspersönlichkeit, ...?
  • Sehe ich für mich persönlich Handlungsbedarf in Sachen „Anständigkeit“ beziehungsweise „anständigem“ Handeln? Falls ja: Was werde ich konkret tun (oder lassen)?

 

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